Ich wollte mal wieder raus, einfach raus aus diesem stickigen Lager, weg aus der Kinderstube, wo mich noch immer die Erinnerung an Daunenjunges Leichnam quälte. Purzelbär wusste nichts von ihrem Tod, deshalb hatte ich ihn gesucht, deshalb und weil ich ihn fragen wollte, ob er auf Niesjunges aufpassen konnte. Immerhin vergötterte er seine Jungen, da sollte es kein Problem sein. Ich hatte ihn eine Weile gesucht, bis ich ihn gesehen hatte, als er drauf und dran war, das Lager zu verlassen. Es hatte irgendwie verstohlen gewirkt, etwas das ich von meinem Gefährten gar nicht kannte. Also war ich ihm gefolgt, aber noch immer kam er nicht zur Ruhe. Wohin willst du, Purzelbär? Langsam aber sicher bekam ich ein ganz schlechtes Gefühl. Wir erreichten die Grenze und er führte mich auf einen Weg, den ich noch nie betreten hatte. Sobald die ersten Zweibeinerbaue auftauchten, dämmerte mir, wohin mein Geliebter wollte. Er lief geradewegs in das Herz eines Zweibeinerortes. Er war schon oft hier..., dachte ich mir und spürte einen seltsamen Stich in der Brust. Er hatte mir nie etwas davon erzählt, hatte er womöglich eine Neue, eine Hauskätzin? Mühsam unterdrückte ich ein frustriertes Schnauben und schlich mich noch etwas näher an. Zu groß war die Angst, ihn hier im Zweibeinergebiet zu verlieren und ich musste doch unbedingt wissen, wohin er ging! Sicherheitshalber duckte ich mich noch etwas tiefer und sah mich hin und wieder wachsam um, aber nur kurz, denn sollte er aus meinem Blickfeld schwinden... Der heftige Zweibeinergeruch überlagerte alles, ich konnte mich nur noch auf meine Augen und Ohren verlassen. Wie ich zurückkommen würde, darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich hatte jetzt schon komplett die Orientierung verloren, mein einziger Halt war der gefleckte Pelz von Purzelbär.
Dann, endlich, sprang er über einen endgültigen Zaun in einen Garten. Sollte ich ihm folgen...? Meine Gedanken wurden jäh von aufdringlichem Gemaunze, das eindeutig das meines Gefährten war, unterbrochen. Was tat er denn da? Durch einen Spalt im Zaun, sah ich, wie sich die Tür öffnete und ein Zweibeiner herauskam. Im nächsten Moment erschrak ich fürchterlich, denn Purzelbär schmiegte sich an ihn, als würde er das jeden Tag so machen. Vielleicht tat er das auch wirklich. Vor lauter Entsetzen wusste ich gar nicht, was ich denken sollte, ich konnte nur mit offenem Mund zu sehen. Der Zweibeiner brachte eine Schüssel und einen seltsam hart aussehenden Bau mit, den ich sicher niemals betreten würde. Alles daran sah gefährlich aus, so unnatürlich. Der Zweibeiner stellte die Schüssel in den Bau und bevor ich Purzel warnen konnte saß er darin. Es gab ein lautes Geräusch und ich der Bau verschloss sich um meinen Lieblingskater. Leise Panik stieg in mir auf, was würde jetzt geschehen? Ich war wie gelähmt und konnte mich nicht mehr vom Fleck rühren, nicht einmal einen Ton bekam ich heraus. Dann hörte ich meinen Namen. Purzelbär rief meinen Namen, in seiner Stimme konnte ich die gleiche Panik hören. Hektisch sprang ich auf und kletterte den Zaun hoch. Mein Überblick war zwar besser, aber das Bild, dass sich mir bot, umso schrecklicher. Der Zweibeiner schien mich nicht zu bemerken und hob den Bau hoch, aus dem noch immer Purzels Stimme meinen Namen schrie. Wusste er, dass ich hier war? Er konnte es nicht wissen. Starr beobachtete ich das Spektakel und endlich entfloh mir ein gehauchtes "Nein..." Der Zweibeiner war schon halb in seinem Bau, als endlich Bewegung in mich kam und ich mich mit einem Kriegschrei auf die Wiese stürzte. "Lass ihn runter!", fauchte ich den Zweibeiner entzürnt an, aber es schien jenen nicht zu interessieren. Ich machte ein paar Sprünge Richtung Bau, denn die Liebe machte mich mutig, aber hielt sofort inne, als die Tür sich bereits schloss. Ich würde es nie mehr rechtzeitig zu meinem Gefährten schaffen, aber eins blieb mir noch: "Purzelbär, ich liebe dich!" Und die Tür schloss sich. Ich schluckte leicht, als ich begriff, was geschehen war. Der Zweibeiner hatte ihn gefangen und ich würde ihn nie wieder sehen. Die Wirklichkeit traf mich mit einem Schlag, aber ich würde keine Träne vergießen. Stattdessen wurde ich unheimlich aggressiv. Wie kann er nur so dumm sein!? Ich fass es nicht! Ich fühlte mich verraten und ließ einen letzten wütenden Schrei los, bevor ich mich auf den Weg nach Hause machte. Ich wollte rennen und das tat ich auch. Der Zorn schärfte erstaunlicherweise meine Sinne und so fiel es mir leicht, den Weg zurück zu verfolgen. Ein paar Mal verpasste ich die richtige Abzweigung, weil mich mein unbändiger Zorn zu enormer Geschwindigkeit antrieb, aber irgendwann war ich draußen. Ich spürte den sanften Wind, der mein Fell streichelte, als wäre die Welt noch in Ordnung. Mir wäre ein Sturm deutlich lieber gewesen, das hätte mein Unglück perfekt gemacht. Ohne zurückzublicken, schoss ich über die weite Landschaft davon, den Weg zum Lager fand ich wie von alleine. Andere Katzen würden sich jetzt in ihrer Trauer vergraben, aber ich suchte die Spannungen des Lagers. Sie würden es mir erleichtern, mein Gemüt weiter aufzubrausen, bis ich mich wie ein Gewitter entladen konnte. Ich brauchte jetzt eine Katze, der ich mein Pech zuschulden konnte, eine Katze, die dafür büßen sollte. Gnade SternenClan, wer es jetzt wagte, ein Wort mit mir zu reden.
(-> Lager)
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