Nebel hatte sich über den Wald gelegt und auch die Felder nebenan waren am frühen Morgen von einer weißen Decke versteckt worden. Man konnte kaum die Pfoten vor Augen sehen, aber das hielt mich nicht davon ab, in hohem Tempo durch das Territorium zu sprinten. Wie so oft begann ich den Tag damit, meine Muskeln zu strecken, indem ich eine kleine Runde durch das Territorium lief. Dabei konnte ich auch gleich abschätzen, ob im Wald alles in Ordnung war und die Grenzen nicht überschritten wurden, zumindest an einer Seite unseres Gebiets. Die Luft war kalt und füllte meine bereits etwas erschöpften Lungen, während mein Körper durch erhitzen dagegen anzukämpfen versuchte, zu erkalten. Ich sprang über einen großen Ast hinweg und musste aufpassen, nicht auf den dünnen Nadeln auszurutschen, bevor ich weiter rannte. Meine Gedanken hatten unterdessen auf nichts anderes als den Lauf ihren Fokus gelegt, was ich begrüßte, schließlich war in letzter Zeit zu viel los für meinen Geschmack. Ich war kein geselliger Kater und schon gar nicht dafür gemacht, Probleme anderer Katzen zu lösen. Ich löste meine eigenen und das reichte meist. Auf der anderen Seite war das nun meine Aufgabe, ich musste mich mit meinen Clankameraden beschäftigen und das raubte mir den letzten Nerv. Nicht mehr oft kam ich dazu, Mal raus zu gehen und einfach zu jagen oder die Grenzen zu kontrollieren, allein, ungestört. Nein, es musste mit einer Patrouille sein, über die ich dann auch noch das Kommando hatte. Trotzdem. All das war nötig, um diese Macht zu halten, den Rang und den Status. Ich hatte Pläne für diesen Clan und sobald ich einmal Anführer war, da würde ich sie umsetzen. Ich wurde etwas langsamer, trabte schließlich nur noch am Fluss entlang, bis ich leise keuchend zum Stehen kam und kurz etwas trank. Nun war mein Kopf freier, ich entspannter und gefasster. Das kühle Wasser rann meine Kehle hinab und erfrischte zusätzlich, was mich aufseufzen ließ, als ich das Trinken beendete. Eine Weile schaute ich mich um, betrachtete die düstere Umgebung. Der Nebel ließ den Himmel verdeckt, wodurch ich die Sonne nicht sehen konnte, dennoch wusste, dass sie langsam aufging. Ein paar Raben flogen krächzend empor, nachdem sie mich bemerkt hatten und hinterließen einzelne Federn auf den Ästen und am Boden. Letztendlich war es eher eine finstere, erdrückende Umgebung, doch dieses schaurige gefiel mir. Ich war allein, auf mich gestellt, beobachtet von nichts als uralten Bäumen und ein paar Kröten auf den Steinen im Fluss. Langsam ging ich meines Weges, den Flusslauf hinauf und dachte dabei zurück ans Lager. Bald musste ich die Patrouillen einteilen. Und den Ältestenbau reparieren lassen. Ich wollte nicht, dass Froschsprung krank wurde. Außerdem musste ich mich um Falconcurse kümmern. Mein Bruder machte mir immer noch Sorgen, nicht unbedingt weil er verletzt war, sondern weil es ihm offensichtlich egal schien. Ein Fuchs hatte ihn angegriffen und es interessierte ihn kaum. Sein Lebenswillen war offensichtlich erloschen und es war ihm egal, ob er lebte oder starb. Wegen einer verdammten Kätzin und einem Anführer. Das mit Weißdornblüte konnte ich verstehen, aber Mohnstern war in meinen Augen ein guter Anführer. Ich wusste einfach nicht, warum Falconcurse ihn so hasste. Etwa auch wegen Weißdornblüte? Eifersucht könnte es sein, zumal sie sich ja scheinbar für den Anführer anstatt für meinen Bruder entschieden hatte. "Ha, kann man ihr nicht verübeln.", flüsterte ich leise zu mir selbst. Selbstgespräche waren bei mir selten und meist nur mit einem Satz verbunden, aber konnten dennoch vorkommen, schließlich redete ich hier draußen nicht allzu oft mit jemandem. Mein Bruder war einfach ein Pechvogel was die Liebe anging. Und ich? Tja... Eigentlich war was mich anging eher Räubermond der Pechvogel. Ich verstand es bis heute nicht was sie an mir fand. Was ich an ihr fand war für mich klar, sie war klug, kreativ, hübsch, schlagfertig... Und sie war bisher eine der wenigen Katzen, vor denen ich Angst haben musste. Wenn ihr etwas nicht passte, fürchtete ich mich regelrecht davor, es weiter zu thematisieren, schließlich konnte ich sie schneller verlieren, als ich sie gewonnen hatte. Den Kopf schüttelnd, trottete ich nun zwischen ein paar Bäumen hindurch und überlegte weiter, wie es im Moment im Lager lief. Nicht allzu gut. Mittlerweile hatte ich mehr das Gefühl, zu versagen, als ohnehin schon. Ich stand bereits einmal kurz davor, meinen Posten an den Nagel zu hängen und ich hatte im Moment bereits die Vision davon, es wieder tun zu müssen. Der Clan vertraute mir und meinen Führungsqualitäten nicht, weil er meinen Weg nicht verstand. Meine Clanmitglieder sahen mich eher als einen Tyrann, der Krieg herausfordern wollte, doch dabei wollte ich doch genau das Gegenteil. Ich wollte beim Sternenclan keinen weiteren Kampf, der würde uns gerade jetzt, wo wir keinen ausgebildeten Heiler hatten, umbringen. Ich wollte die anderen Clans von unserer Stärke überzeugen, dass wir trotz fehlendem Heiler noch die Kraft besaßen, uns zu verteidigen. Ich wollte ihnen Angst machen, ihnen drohen, damit sie es gar nicht erst wagten, sich in unsere Nähe zu trauen. Aber es wurde von meinem Clan falsch verstanden. Wie sollte ich ihn anführen, wenn sie mir nicht ihr Vertrauen gaben? Wie sollte ich einen Clan anführen, wenn ich selbst von den unreifesten Schülern kritisiert wurde? Sofort wanderten meine Gedanken zu Dunkelpfote und Regenpfote. Die zwei waren mir ein Dorn im Auge, nicht unbedingt nur, weil sie sich gegen mich wandten, sondern auch, weil sie teilweise Recht hatten. Ja, Dunkelpfote hatte nun keine andere Möglichkeit mehr zu lernen, als von Regenpfote, es war nun beschlossene Sache und wo er nun schon hier war, musste ich das akzeptieren. Dennoch, warum war es für alle so leicht, den Himmelclaner als Teil des Heilerstandes im Rosenclan anzusehen? Dieser Befehl vom Sternenclan machte hinten und vorne keinen Sinn, was mich eben dazu veranlasste, misstrauisch zu sein. Und dann diese Respektlosigkeit... Von zwei Schülern! Und einer war nicht einmal aus dem Rosenclan! Ich hätte eigentlich ziemlich gerne auch den Rest seines Fells eliminiert, allein dafür, dass er sich für etwas besseres hielt und mir widersprach. Auch Dunkelpfote nahm sich für ihre Verhältnisse viel zu viele Rechte raus. Ja, sie war jetzt Heilerschülerin und ja, sie hatte bestimmte Freiheiten, aber das erlaubte ihr längst nicht, mich anzugehen als wäre ICH hier der Schüler! Ich blieb trotz dieser eher verärgerten Gedanken ruhig und ließ mir nicht anmerken, dass ich gerade nicht unbedingt guter Laune war. Ich passierte einen Baumstamm und setzte mich auf diesen drauf, nachdem ich mich umentschieden hatte und nicht weiter gehen wollte. Den Schweif um die Pfoten gelegt, saß ich vollkommen still und ohne jegliche Bewegung auf dem Stamm, die Umgebung im Blick haltend und Geräusche wahrnehmend. Vielleicht war Beute in der Nähe, was ich nach meinem Sprint aber bezweifelte. Erneut zu meinen Zweifel zurück kehrend, dachte ich über Dunkelpfotes Worte nach, aber auch über die meiner Gefährtin. Räubermond hatte sich gegen mich gestellt, als Regenpfote ins Lager gebracht wurde. Sie hatte mich hintergangen, schon wieder. Und das ließ mich immer wieder über dieses Gespräch nachdenken. Was hatte ich falsch gemacht? Ich hatte meinen Clan beschützen wollen, vor einem Eindringling. Ich hatte... Ich war vielleicht ein bisschen zu streng gewesen, zu forsch. Wahrscheinlich war es das gewesen. Ich seufzte leise und schloss die Augen, nachdem ich den Kopf leicht abgesenkt hatte. Ein weiterer Beweis dafür, dass ich einfach kein Anführer war. Ich handelte von Grund auf richtig, aber mit der falschen Herangehensweise, zumindest laut meinen Clankameraden. Das war es. Sie wollten meine Führungsweise nicht, weil sie fürchteten, dadurch in einen Krieg verwickelt zu werden. Sie fürchteten, dass unser Selbstschutz uns in schweren Zeiten zum Verhängnis werden würde und dass es für uns kompliziert werden würde, Hilfe zu bekommen, sollten wir sie benötigen. Sie hatten meine Art, mit Problemen umzugehen jetzt bereits satt und das schaffte dieses Misstrauen zwischen mir und meinen Clankameraden. Ich war für sie zu aggressiv, zu vorschnell mit meinen Urteilen und hatte laut ihnen ein zu arrogantes Auftreten. Das war mein Fazit, nachdem ich das Gespräch nochmal langsam im Kopf durchging. Und jetzt? Wie sollte ich das lösen? Ich müsste mich den Forderungen der anderen fügen und einfach die Klappe halten, wenn sie ihre Meinung sagen wollten. Und ich musste diese akzeptieren. Außerdem wollten sie, dass ich mich aus Heilerangelegenheiten heraus hielt und den Clan nach außen hin anders präsentierte. *Urgh... Ist das kompliziert.*,dachte ich und versuchte, mir eine neue Strategie zu überlegen. Mein Wesen selbst konnte ich nicht ändern, wie sollte ich das bitte anstellen? Ich dachte kurz an Räubermond. Wenn ich ich war, gefiel es ihr nicht, wenn ich mich versuchte zu ändern, wirkte ich zu verkrampft und nicht wie ich. Toll, was sollte mir das jetzt sagen, Kätzin? Dass ich... Einfach sein sollte, was alle von mir verlangten? Ein weichgespülter, überfreundlicher und offener Kater? Das war ich nicht, das würde ich nie sein und es wäre zu kompliziert, es überhaupt zu versuchen. Ich stöhnte genervt und öffnete die eisblauen Augen wieder einen Spalt, den Blick diesmal auf den Wald vor mir gerichtet. Meine Ohren zuckten ab und zu umher, wenn sich ein Eichhörnchen in der Ferne einen Ast hoch schlängelte, wenn ein Vogel laut nach seiner Partnerin rief... Dennoch blieb das Problem. Ich war aus der Sicht meiner Clanmitglieder also kein Anführer. Warum sollte ich noch länger den Posten übernehmen? Warum sollte ich die Arbeit nicht einfach einer anderen Katze überlassen und meines Weges gehen, wie vorher auch? Was hielt mich noch bei diesem Rang?
@Dunkelpfote