Ich hatte mich ungewöhnlich lange nicht mehr dem Klettern gewidmet. Das ließen mich meine Muskeln nun auch spüren, als ich mich auf den nächsthöheren Ast zog. Schwache Sonnenstrahlen streiften meinen Pelz, die Sonne schien ihren höchsten Punkt erreicht zu haben. Ich aber war bereits seit Morgengrauen im Wald. Ich hatte nicht gut geschlafen und war sehr früh erwacht. Die letzten Nächte schlief ich eh nicht viel, weil mein Kopf mich bis spät wachhielt. Mein Hang zum vielen Nachdenken hatte mir früher schon Schwierigkeiten bereitet, doch dies war anders. Meine Gefühle spielten zuletzt auch verrückt wie mir schien. Es war in Ordnung traurig zu sein, das wusste ich, aber ständig daran denken zu müssen, dass Phoenix nur wenige Nester entfernt lag, dass ich einfach rübergehen könnte... Sein Geruch, den ich ganz automatisch unter denen der anderen ausmachte... Es waren solche Kleinigkeiten, das es mich beinahe wütend machte. Wut, hatte ich vermutlich in der letzten Zeit mehr gespürt als in meinem gesamten Leben. Genug damit. Ich bohrte die Krallen ins Holz und zog mich weiter hinauf, ohne mich um den Protest meiner überanstrengten Muskeln zu kümmern. Klettern war immer ein Ausgleich für mich gewesen. Die Stütze, die mir half, wenn ich mal wieder drohte in meiner Gefühlswelt unterzugehen. Heute nicht. Meine wilden Gedankengänge waren auch dafür verantwortlich, dass ich nicht bei der Sache war. Ich merkte nicht, wie der Ast unter mir schwankte, als ich langsam auf sein Ende zu balancierte. Die Sprünge von einem Baum auf den Nächsten waren nachwievor eine Herausforderung und brauchten Vorsicht, sowie Konzentration. Eigenschaften, die mir eigentlich zu eigen waren. Heute nicht. Ich konnte später auch nicht so recht den Fehler benennen, vermutlich hatte ich eine Pfote falsch gesetzt, oder hatte ich sie tatsächlich einfach in die Luft gesetzt? Doch im nächsten Moment rutschte ich auf jeden Fall ab, fiel. Es ging viel zu schnell, als dass ich hätte Angst haben können. Ich merkte auch gar nicht, dass ich einen hohen Schrei von mir gab, während ich hinabstürzte.
Ich falle. Das war so ziemlich das Einzige, woran ich tatsächlich dachte, ehe ich auch schon landete. Der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen und ich schnappte nach Atem. Da war Schmerz, doch er schien von weit her zu kommen. Die Welt drehte sich und noch immer suchte ich verzweifelt nach Sauerstoff. @Krähenpfote